Cloud it yourself – ausgezeichnet für volle DatenkontrolleReinhard-von-Koenig-Preisträger Frank Karlitschek über seine innovative Cloud-Lösung

Reinhard-von-Koenig-Preisträger 2018 Frank Karlitschek

Mo, 29. October 2018

Clouds sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Daten überall und zu jeder Zeit verfügbar zu haben, ist nicht nur privat praktisch, sondern beruflich inzwischen schon der Standard. Doch wie ist es mit der Datensicherheit im virtuellen Raum bestellt? Eine Frage, die Frank Karlitschek mit seiner Software Nextcloud, die auf dem Prinzip des Selbsthostings basiert, beantwortet. Für seine fortschrittliche Entwicklung wurde ihm am 26. Oktober auf Schloss Fachsenfeld der mit 20.000 Euro dotierte Reinhard-von-Koenig-Preis verliehen. Im Interview gibt der Entwickler Einblicke in seine Arbeit.

Herr Karlitschek, was bedeutet der Reinhard-von-Koenig-Preis für Sie und Ihre Arbeit?

Die Auszeichnung ist natürlich eine große Ehre. Für mich persönlich, aber auch für das ganze Team, das dahinter steht. Ich bin zwar der Gründer von Nextcloud, aber auch nur ein kleiner Teil der großen Entwicklergemeinschaft. Ich nehme den Preis gerne an – stellvertretend für die ganze Community. Nextcloud ist ja ein Open-Source-Projekt. Es gibt das Unternehmen, das ich führe, mit 45 Mitarbeitern. Aber es steht dahinter noch eine große Community von 1800 Leuten aus der ganzen Welt, die auch mitarbeiten und an der Entwicklung beteiligt waren, auch wenn der ursprüngliche Prototyp von mir stammt. Ich bin sehr stolz auf die Community und, dass auch sie mit der Auszeichnung gewürdigt wird.

Sehen Sie den Preis auch als Auszeichnung für eine bestimmte Art von Innovation, als Anerkennung für die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung?

Durchaus. Die Stichworte, denke ich, sind Datenschutz und -kontrolle, Security und Privacy im Internet. Es freut mich auch besonders, dass durch den Preis diese Themen öffentlich hervorgehoben werden, die uns am Herzen liegen. Themen, die ich schon lang versuche zu adressieren, die jetzt auch immer mehr Menschen bewusst werden.

Wie sieht Nextcloud im Detail aus, wie löst Ihr Cloudprodukt die Herausforderung der Datensicherheit?

Die meisten Clouds auf dem Markt sind gehostete Clouds, und diese sind fast ausschließlich in den USA, das heißt, dass sich die Daten der Nutzer in einem virtuellen Raum befinden, der nicht der eigenen Kontrolle unterliegt. Das Besondere an uns ist, dass wir eine selbstgehostete Cloud anbieten und diese datenschutzkonform alle Sicherheitsanforderungen erfüllen kann. Jeder kann sie betreiben, wo er möchte – es ist sozusagen eine In-house-Lösung.

Also ‘Cloud it yourself’ …

Richtig. Egal ob Privatperson, Unternehmen oder Behörde – jeder benutzt dieselbe Software: ein .zip-File, das auf unserer Website kostenlos heruntergeladen werden kann. Man braucht für seine Cloud-Daten nur das Programm und eine Festplatte.

Gab es einen besonderen Impuls für Ihre Idee?

Eine Initialzündung gab es eigentlich nicht, es war eher ein Prozess. Ich persönlich bin, wenn es um Open-Source-Community und Software-Entwicklung für das Internet geht, seit Mitte der 90er involviert. Damals gab es noch keine Cloud, aber ich bin seit dieser Zeit in diesem Umfeld. Das Ganze hat sich dann immer weiter entwickelt.

Gab es bei der Entwicklung besondere Herausforderungen?

Ich denke, die für ein solches Projekt üblichen – das betrifft vor allem die Bereiche Kooperationsstruktur und Kommunikation. Die allererste Version habe ich ja alleine entwickelt, als One-Man-Show. Inzwischen sind, wie erwähnt, 1800 Leute involviert. Das verändert natürlich Einiges. Die ersten, die mitmachten, habe ich nach einem Jahr zu einem ersten Entwicklertreffen in mein Büro eingeladen. Man kannte sich nur über das Web, nicht persönlich. Wir waren damals zu fünft und haben ein Wochenende an der Software gearbeitet. Das Ganze ist dann immer mehr gewachsen. Zuletzt sind in Berlin 200 Leute zusammengekommen, aus der ganzen Welt. Wichtig ist bei einem solchen Unterfangen, dass das ganze Team eine gemeinsame Vision hat, dass man gut zusammenarbeitet und kommuniziert. Es sind also die typischen Herausforderungen, wenn viele Menschen – bei uns auch aus verschiedenen Kulturkreisen und Zeitzonen – zusammenarbeiten.

Nextcloud ist seit Juni 2016 auf dem Markt, haben Sie einen bestimmte Vermarktungsstrategie?

Wir sind eine kleine Organisation und haben kein Budget für Marketing auf unserer Liste. Wir machen keine Werbung im eigentlichen Sinn. Nextcloud wird eher nach dem Grassroots-Prinzip immer mehr bekannt, durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Benutzertreffen, Meet-Ups, Konferenzen, Vorträge und Social Media.

Ein Prinzip, das offensichtlich gut funktioniert, denn inzwischen hat sich Nextcloud bereits in höheren Kreisen herumgesprochen…

Ja, das kann man so sagen, die Bundesverwaltung zum Beispiel nutzt Nextcloud, im Grunde alle Ministerien und Bundeseinrichtungen. Das sind rund 350.000 User. Auch die ARD, Siemens und eine ganze Reihe weiterer größerer Organisationen sind bereits Nextcloud-Nutzer.

Das sind einige große Namen. Wie kam der Kontakt zustande?

Die Interessenten kommen in der Regel auf uns zu. Bei der Bundesverwaltung gab es eine Ausschreibung, bei der wir uns gegenüber Mitbewerbern durchsetzen konnten, weil wir der attraktivste Anbieter waren mit der besten Funktionalität zum besten Preis.

Wenn Sie Nextcloud als Open-Source-Software kostenlos zum Download anbieten, wie finanzieren Sie Ihr Unternehmen? 

In der Nextcloud GmbH sind wir 45 Mitarbeiter, die natürlich bezahlt werden wollen. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die mit freier Software schon verschiedene Geschäftsmodelle ausprobiert haben. Sie haben dieselbe Situation, dass sie Open-Source-Produkte herstellen möchten, aber auch Geld verdienen müssen. Das machen wir, indem wir Supportverträge anbieten und verkaufen. Jeder kann auf unserer Website unser .zip-File gratis herunterladen und nutzen. Wenn man aber ein Unternehmen zum Beispiel mit 500 oder mehr Mitarbeitern ist, möchte man eventuell Security Updates, Telefon-Support, Installationsunterstützung, einfach jemanden haben, der bei Bedarf schnell hilft und berät. Aber die Software ist dieselbe. Egal ob Privatmensch oder Siemens – man braucht im Grunde nur das File und einen Datenspeicher.

Wie sieht die Zukunft aus? Gibt es neben Nextcloud noch etwas in Ihrer geheimen Schublade?

Nun, ich habe tatsächlich viele Ideen, bin ein Tüftler und Erfinder. Aber Nextcloud konsumiert 150 Prozent meiner Zeit, da gibt es derzeit nichts anderes. Wenn man ein Unternehmen gründet, ist es immer ein Risiko. Man weiß nicht, wie es funktioniert. Aber es ist in der Tat so, dass Nextcloud sehr gut angenommen wird und wir all unsere Energie in das Unternehmen stecken. Wir stellen kontinuierlich neue Mitarbeiter ein und wachsen. Anfang 2018 waren wir noch 30, jetzt sind wir 45. Die Einnahmen fließen in die Entwicklung, sodass die Software immer besser wird. Wir arbeiten an neuen Funktionalitäten im Bereich Kooperation und Kommunikation, beispielsweise Video-Call, Chat, an all dem, was man braucht, um zusammenzuarbeiten. Was wir anbieten, kann ein Ersatz für Office 365 oder für die Google Suite sein – mit dem Unterschied, dass man eben alles bei sich hosten kann und unter Kontrolle hält.

Sie sagen, Sie seien ein Tüftler. Wie kamen Sie zur Software-Entwicklung? 

In der Tat bin ich so ein typischer Softwareentwickler. Ich habe programmieren auf einem programmierbaren Taschenrechner gelernt, da war ich etwa elf oder zwölf Jahre alt. Seitdem hat mich das nicht mehr losgelassen. Ich habe dann schon auf der Schule Shareware-Programme für die Lehrer entwickelt. Während des Studiums ging es weiter und ich habe dann mehrere Unternehmen gegründet. Nextcloud ist nun das größte und erfolgreichste. Ich habe mir eigentlich schon immer irgendwelche Dinge ausgedacht. Aber das ist auch das Tolle an der Software-Entwicklung, das ich auch immer wieder betone: dass es möglich ist, dass sich eine einzelne Person hinsetzt, im Keller oder irgendwo, und am Computer etwas erfindet, das weitreichende Wirkung haben kann. Bei der letzten Preisverleihung war ein selbstfahrendes Auto der Grund für den Reinhard-von-Koenig-Preis. Das kann man nicht mal so schnell als Jugendlicher oder als Einzelperson realisieren. Das geht nur als großes Unternehmen. Aber im Software- oder Internetbereich ist so viel Innovation möglich, dass jeder etwas beisteuern und theoretisch allein Weltveränderndes entwickeln kann. Das finde ich sehr motivierend.

Das Preisgeld wandert in die Weiterentwicklung?

Nein. Vielmehr möchte ich das Preisgeld in die Community zurückgeben. Wir werden eine Initiative starten, bei der es darum geht, unterrepräsentierte Gruppen in der IT zu unterstützen, das heißt, Frauen in der Softwareentwicklung zu fördern. Die 20.000 Euro wollen wir hierfür verwenden.


Bildnachweis: © Creative Commons (Karlitschek)