Schneller, besser, billiger: KI-Simulationen sparen Zulieferern viel Zeit und Material beim Einfahren von Maschinen


Aktuelle Situation: Ausschuss zu produzieren ist teuer

Jeder neue Auftrag bedeutet für einen Zulieferer erst einmal großen Aufwand, um Prozesse umzustellen und Maschinen umzurüsten. Vor allem bei der Umrüstung der Systeme auf neue Produkte wird viel unnötiger Ausschuss gefertigt, da zahlreiche Parameter an den Fertigungsmaschinen passgenau eingestellt werden müssen. Da das meistens durch Ausprobieren geschieht, werden große Massen an fehlerhaften Teilen produziert. Dieser sogenannte Einfahrprozess der Maschinen kostet enorm viel Zeit und Geld. Zugleich bietet er ein hohes Einsparpotenzial. Wird das genutzt, könnten sich in Baden-Württemberg wichtige Industriebereiche, vor allem das metallverarbeitende Gewerbe, besser gegen Wettbewerber aus Niedriglohnländern oder konkurrierende Technologien, wie 3-D-Druck, behaupten.

 


Innovation: Wie hilft KI dabei, das Problem zu lösen?

Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) sind mittlerweile ausgereift genug, um Einfahrprozesse nachhaltig zu unterstützen, aber noch ist es vergleichsweise teuer, solche KI-basierten Systeme in der breiten Masse einzusetzen. Denn bevor ein KI-System trainiert werden kann, müssen zuerst große Datenmengen zum Antrainieren in vielen Testvorgängen gesammelt werden. Davor scheuen die meisten KMU bislang zurück. Den hohen Aufwand senkt das Projekt „SimKI“ durch einen neuartigen Ansatz: Es bildet die gesamte Bauteileerstellung über eine digitalisierte Wertschöpfungskette ab und trainiert das KI-Modell vor allem anhand von Simulationsdaten. So entsteht ein „digitaler Zwilling“ von der real in der Fabrikhalle stehenden Maschine und des Bauteils, welches zukünftig produziert werden soll. Mit der Kombination aus virtueller Maschine und virtuellem Bauteil können KMU demnächst Einfahrprozesse einfacher, schneller und günstiger durchführen – und zwar, indem sie möglichst wenig oder sogar gar keinen realen Ausschuss mehr in ihren Werkshallen produzieren.


Vorgehensweise: „SimKI“ schließt aus virtuellen Daten auf die realen Maschineneinstellungen

Ein repräsentativer Umformprozess eines Zulieferers mit einem typischen Bauteil für die Automobilindustrie ist die Basis des Projekts „SimKI“. Er steht stellvertretend für die konventionelle, mechanische Fertigung von zehntausenden Firmen in Deutschland. Während diese in der Realität für neue Einfahrprozesse bisher Bleche zuschneiden, Umformwerkzeuge fräsen, in Maschinen einbauen und mit unterschiedlichen Parametereinstellungen ausprobieren, bildet „SimKI“ von der Konstruktion bis zur Fertigung alles virtuell ab. Das Modell erfasst dabei Prozessparameter, wie z. B. den Werkzeugdruck, und Umgebungswerte wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit. Diese Daten, die aus dem Metallverarbeitungszentrum und dem Presswerk der Projektbeteiligten stammen, werden mit den Qualitätsmerkmalen der Bauteile in Beziehung gesetzt. Ob diese gut oder schlecht sind, etwa weil sie einen Riss oder eine Falte aufweisen, lernt „SimKI“ durch Rückmeldungen. Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Lösungen müssen dafür aber keine realen Gut- und Schlechtteile mehr gefertigt werden; es reichen simulierte Bilder. „SimKI“ simuliert den Umformprozess solange, bis es ausreichend Datenmuster besitzt, um ein optimales Bauteil zu erkennen. Dieses Wissen befähigt „SimKI“, genaue Angaben zu machen, wie die Parameter an einer Maschine eingestellt werden müssen, um darauf ein x-beliebiges, neues Bauteil in hoher Qualität zu fertigen.

 

 

Ausblick: Für jede Branche und jeden Digitalisierungsgrad geeignet

Das Projekt legt den Grundstein für eine standardisierte KI-Lösung, die Einfahrprozesse optimiert und es Unternehmen zudem ermöglicht, während der laufenden Produktion in Echtzeit die Qualität von Bauteilen zu erfassen, zu bewerten und entsprechend die Prozessparameter anzupassen um so die Fertigungsergebnisse zu verbessern. „SimKI“ ist für Bauteilehersteller in jeder Branche gedacht. Damit möglichst viele KMU die Ergebnisse für sich anwenden können, werden im Projekt zwei unterschiedlich hohe Digitalisierungsgrade berücksichtigt. In einem Fall wird als Modellanlage ein Fräs-Bearbeitungszentrum untersucht, das bereits mit einem Produktionsmanagementsystem gekoppelt ist. Im zweiten Fall wird ein Werkzeug in einer Presse betrachtet, die bislang nicht für die Datenerfassung ausgelegt war und deswegen zuerst eine digitale Schnittstelle benötigt. „SimKI“ ist prädestiniert dafür, später als Servicelösung angeboten zu werden, so dass KMU nur die Dienstleistung bezahlen und nicht eine eigene KI-Lösung erwerben müssen.


Mehrwert: Effizienz steigern und Wissen im Unternehmen konservieren

„SimKI“ unterstützt Unternehmen dabei, schneller, besser und billiger Bauteile in der gewünschten Qualität zu fertigen. Darüber hinaus konserviert es Wissen in den Unternehmen. Die Mitarbeiter in den Werkshallen besitzen viel Erfahrung in der Einstellung der Maschinen; doch dieses Know-how ist selten gut dokumentiert und könnte verloren gehen, wenn gerade Ältere die Firma verlassen. Das Wissen aus Erfahrung, das heute ausschließlich in den Köpfen der Mitarbeiter steckt, bleibt mit „SimKI“ im Unternehmen erhalten. Denn KI-Systeme speichern erlernte Erfahrungswerte, so dass diese auch zukünftig jederzeit verfügbar sind.


Konsortium: Wer sind die Projektbeteiligten?

  • Hochschule Aalen: Projektleiter Dr. Wolfgang Rimkus leitet das Technologiezentrum Leichtbau und verfügt über eine 25-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Simulation und Berechnung mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM). Der projektbeteiligte Prof. Dr. Sebastian Feldmann ist für die Digitalisierung und Implementierung der KI-Systeme verantwortlich. Prof. Feldmann besitzt mehr als 15 Jahre Erfahrung im Bereich der Mechatronik und gründete im Jahr 2015 NectOne, ein Pionierunternehmen im Bereich der Industrie 4.0 und Automatisierungstechnik.
  • Inneo Solutions GmbH, Ellwangen: Als Lösungsanbieter von CAD/CAM, PDM/PDL, IT und Projektmanagement bringt das Unternehmen seine für das Projekt essentielle Kompetenz bei Plattformen für IoT-Anwendungen ein.
  • Karl Walter Formen und Kokillenbau GmbH, Göppingen: Der Hersteller von Formen für Felgen und Gussteile sowie Maschinenbauteilen stellt sein Know-how für die Erstellung eines Presswerkzeugs zur Verfügung.
  • Gaugler & Lutz oHG, Aalen: Der Anbieter von Spezialwerkstoffen für den Leicht- und Sandwichbau besitzt viel Kompetenz bei der Werkstoffbearbeitung, die sich im Projekt im Fräs-Bearbeitungszentrum widerspiegelt.