Die Zukunft automatisierter ProzesseMechatronik-Studierende der Hochschule Aalen entwickeln virtuelle Fertigungsanlage

Die Mechatronik-Studierenden Thomas Stippler, Fabian Pfugfelder, Lukas Deppert und Oliver Schabert (von links oben im Uhrzeigersinn) haben für die mechatronik factory GmbH, die als Start-up aus dem Innovationszentrum an der Hochschule Aalen hervorgegangen ist, eine virtuelle Fertigungsanlage entwickelt. Foto: © Hochschule Aalen

Mo, 02. August 2021

Die Zeitfenster zwischen Anfrage und gefordertem Liefertermin von Maschinen werden immer kürzer. Damit verändern sich auch die Entwicklungsprozesse. Die Lösung: ein digitaler Zwilling. Durch ein virtuelles Modell werden alle Prozessschritte bereichsübergreifend digital abgebildet und simuliert. Die Entwicklung digitaler Zwillinge sind eine wichtige Basis für die Industrie 4.0. Daher kommen auch die Mechatronik-Studierenden der Hochschule Aalen frühzeitig mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten eines digitalen Zwillings in Berührung. In einem Industrieprojekt haben sie jetzt ein virtuelles Konzept für ein neues Produkt der mechatronic factory GmbH entwickelt, die als Start-up aus dem Innovationszentrum an der Hochschule Aalen hervorgegangen ist.

Aktive Schutzhülle fürs Handy

Mit seinem „ADcase“ hat Philip Frenzel für ziemlich viel Furore gesorgt. Die Schutzhülle für Smartphones – in die Sensoren eingearbeitet sind, die den freien Fall erkennen und sofort vier dämpfende Elemente ausfahren – entwickelte der Absolvent der Hochschule Aalen während seiner Zeit als Mechatronik-Student. Jetzt geht es darum, eine Fertigungsanlage für die Montage aufzubauen. Dafür hat der junge Gründer und Geschäftsführer der mechatronic factory GmbH die Mechatronik-Studierenden Lukas Deppert, Fabian Pfugfelder, Oliver Schabert und Thomas Stippler ins Boot geholt: Sie sollen ein virtuelles Montagekonzept ausarbeiten und die einzelnen Montage-Module für die Handyhülle entwickeln. „Beim ‚Industrieprojekt‘ erhalten die Studierenden eine konkrete Aufgabenstellung aus der Industrie. Das ist für die Studierenden sehr motivierend, und der Industriepartner kann die Ideen und Ergebnisse weiterverwenden“, sagt der betreuende Professor Dr. Peter Eichinger.

Praxisnahe Projekte

Bei einer klassischen Inbetriebnahme werden Softwarefunktionen an einer realen Maschine, Anlage oder einem Roboter per Funktions- und Leistungstests geprüft und optimiert. Dies ist aber erst nach Fertigstellung der Maschine oder der Anlage möglich und birgt damit Risiken, da Fehler häufig erst am Ende der Kette auffallen. Zudem kann eine Inbetriebnahme bis zu 25 Prozent der Gesamtdurchlaufzeit eines Projektes in Anspruch nehmen. In der Praxis wird daher zur Steigerung der Softwarequalität, Verkürzung der Inbetriebnahmezeit und Reduzierung der gesamten Entwicklungszeit zunehmend mit digitalen Zwillingen gearbeitet. Diese virtuellen Inbetriebnahmen reduzieren insgesamt auch die Entwicklungskosten. „Um die Studierenden für ihre zukünftigen Tätigkeiten vorzubereiten und sie zu gut ausgebildeten Fachkräften zu machen, sind anwendungs- und praxisnahe Projekte während des Studiums das A & O“, betont Eichinger.

475 Handyhüllen pro Stunde

Für die neue Handyhülle von Philip Frenzel haben die Studierenden mit dem Programm „iPhysics“ gearbeitet, einer 3D-Simulationssoftware mit Echtzeitfähigkeit für die virtuelle Inbetriebnahme mechatronischer Anlagen. Durch die Simulationstechnologie konnten sie eine komplexe Anlage simulieren sowie Testläufe überprüfen. Die Mechatronik-Studierenden haben hierfür eine automatische Fertigungsanlage entwickelt – das neue Handycase wird nicht von Hand montiert, sondern einzelne Arbeitsschritte wie das Zusammenführen der Hüllenbestandteile, das Verkleben der Samteinlage und Magnete, die Qualitätskontrolle und automatische Verpackung werden automatisiert. Das Ergebnis: In einer Taktzeit von acht Sekunden können mit der geplanten Anlage 475 Handyhüllen pro Stunde ausgespuckt werden. „Die Studierenden haben gezeigt, dass es in den drei Monaten Projektzeit möglich ist, sich in die 3D-Simulationssoftware ‚iPhysics‘ einzuarbeiten und ein sehr gutes Ergebnis zu erzielen“, freut sich Eichinger.