Wenn Roboter zu Schauspielern werdenStudenten der Hochschule Aalen programmieren für das Theater

Fotografie: Eine Szene im Theater: eine Person steht ängstlich gebückt vor einem Roboterarm.

Bedrohlich wirken die von Studenten der Hochschule Aalen programmierten Roboter in dieser Szene des „Faust-Experiments“.

Do, 01. März 2018

Eine Bachelorarbeit der etwas anderen Art schrieben Markus Knödler und Andreas Stelzer an der Hochschule Aalen. Für eine „Faust“-Inszenierung am Theater der Stadt Aalen programmierten sie zwei Roboter. Dabei verlangte die Arbeit am Theater von den Studenten weit mehr als bloßes Programmieren.

„Es war wichtig, die Ansprüche des Theaters zu erkennen und sich einzufühlen“, berichtet Andreas Stelzer. „Wir mussten verstehen, dass der praktische Nutzen der Technik hier weniger im Vordergrund steht, als die Ästhetik.“ Stelzer programmierte einen Industrieroboter und gab ihm beinahe zärtliche, zutrauliche Bewegungsabläufe, die man dem spröden Gerät eigentlich nicht zutrauen würde.

Im Team zum Erfolg

Diese Ästhetik erarbeitete der Maschinenbau-Student in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur Marko Timlin. „Er hat ein künstlerisches Auge und konnte mir sagen, wann die Bewegungen weicher werden mussten.“ Für die Bewegungsabläufe ersann Stelzer verschiedene Programme, die von der Regieassistentin während der Vorstellung per Knopfdruck abgerufen werden können.

Während der Aufführung steuert Stelzer den vierrädrigen Roboter mit Spiegelbox-Aufbau, den Markus Knödler programmiert hatte. In seiner Bachelorarbeit brachte der Informatik-Student den Roboter dazu, sich ferngesteuert über die Bühne zu bewegen. „Die größte Herausforderung war weniger das Programmieren, sondern eher, den Roboter zweckzuentfremden“, erinnert sich Knödler an die Arbeit am Roboter und ergänzt: „Das harmonische Zusammenspiel zwischen Roboter und Schauspielerin war besonders wichtig.“

Technische Schwierigkeiten schnell gelöst

Die Aufbauten auf dem vierrädrigen Roboter seien jedoch sehr hoch gewesen und hätten damit den Schwerpunkt verlagert. „Dadurch traten die Sicherheitsprotokolle des Betriebssystems in Kraft, die das Kippen des Roboters verhindern. Die schalten den Roboter komplett ab, bevor er kippt“, erklärt Markus Knödler. Er konnte das Problem jedoch lösen. Andreas Stelzer steuert den Roboter während den Aufführungen per Fernsteuerung. „Ich habe schon als Kind Erfahrungen mit Modellbau gemacht und kannte mich mit ferngesteuerten Autos aus“, sagt Stelzer und ergänzt lächelnd: „Daher fiel mir das Steuern des Roboters leicht.“

Betreut wurden die Abschlussarbeiten von Prof. Dr. Ulrick Klauck und Prof. Dr. Markus Kley. „Ich traf mich im Sommer 2016 mit Marko Timlin und wir redeten über Digitalisierung und deren politische und gesellschaftliche Auswirkungen“, erinnert sich Klauck. Kley hält fest: „Timlin wollte Industrie 4.0 ins Theater bringen und als Mensch 4.0 inszenieren.“ Das geschah in Form der beiden Roboter. Diese wickeln Faust gegen Ende des Stücks in Technik und Wissenschaft ein, sodass er ein Gefangener seiner einstigen Helfer wird.

Digitalisierung – Chance oder Gefahr?

Bei der Frage, ob Digitalisierung wie im Stück als Gefahr gesehen werden muss, sind sich die Professoren einig. „Die Digitalisierung ist unvermeidbar. Durch einen verantwortlichen Umgang überwiegen jedoch die Vorteile für die Gesellschaft“, erklärt Klauck. Kley fügt hinzu: „Als Ingenieure generieren wir Lösungen, um die Sicherheit in der Interaktion mit Maschinen zu gewährleisten. Wir entwickeln im Zuge der Digitalisierung Technologien, die sicher sind und dem Menschen dienen.“

Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft Hand in Hand

Aus der Kooperation haben die beiden Studenten viel mitgenommen. „Ich habe gelernt, dass Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften Hand in Hand gehen können und dabei ein tolles Theaterstück entstehen kann“, sagt Markus Knödler und fügt hinzu: „Außerdem sollte man nicht immer alles technisch betrachten und auch auf andere Sichtweisen eingehen.“ Andreas Stelzer sagt: „Ich nehme aus der Kooperation mit, offen auf Neues zuzugehen und nicht immer den praktischen Nutzen in den Vordergrund zu stellen.“

Die Frage, ob die Professoren Goethe-Fans sind, bringt beide zum Lachen. „Also als Goethe-Fan würde ich mich nicht bezeichnen“, sagt Ulrich Klauck. Dass er jedoch einen Rhetorik-Kurs am Baden-Badener Theater mit Schwerpunktthema „Faust“ besucht hatte und sich daraufhin ein Faksimile des „Urfaust“ – quasi einen Scan des Originals in Originalschrift – gekauft habe, gibt er schließlich doch zu. „Ich hege keine ausgeprägte Begeisterung für Goethe“, gesteht Markus Kley grinsend: „Aber den Film ‚Fack ju Göhte‘ fand ich wirklich gut!“

Die Faust-Roboter kehren zurück

Nach der Premiere im Herbst wird „Das Faust-Experiment“ jetzt wieder am Theater der Stadt Aalen gespielt. An den ersten beiden März-Wochenenden ist die Inszenierung von Marko Timlin und Tonio Kleinknecht zu sehen. Termine, Tickets und Informationen zum Stück unter: www.theateraalen.de.


Fotonachweis: © Theater der Stadt Aalen/ Peter Schlipf